Donnerstag, 20. Mai 2021

Agnostische Pastafari?


Unsere Kirche wächst und wächst. Das sieht man nicht nur an der Facebookseite mit 13000 Followern, das zeigt sich auch im Verein. Dort sind wir weit über 500 Mitglieder. Aber natürlich gibt es auch immer wieder mal jemand, der aus dem Verein austreten möchte. Bei uns gibt’s da keine Hürden und eine einfache Mail genügt. Gelegentlich gibt es aber nicht nur die, sondern auch eine Begründung.


Manche, wie die von T.D., kann man einfach nur akzeptieren: „Anlässlich des Grauens in der Welt kann ich nicht mehr an ein gütiges und gnädiges Spaghettimonster glauben, das das einfach so zulässt und köstlich duftend weiterfliegt“.

Na ja, man kann sich schon auch wünschen, dass Juden, Christen und Muslime ähnlich konsequent wären.


Manchmal gibt es aber auch Begründungen, die zum Nachdenken anregen, wie die von D.G.:


„Ich habe nachgedacht und möchte gern hiermit meinen Austritt aus unserer Kirche erklären.

Und zwar deshalb, weil ich die naturalistische Weltanschauung eigentlich doch nicht teilen kann.


Ich denke, alles mögliche könnte sein, wir wissen aber nur sehr wenig. Was "nicht mit rechten Dingen zugeht", wird vielleicht irgendwann simpel erklärbar, und sollte deshalb nicht pauschal weggeleugnet werden. Will sagen, vielleicht gibt es ja doch Elfen, Trolle, eine göttliche Existenz etc., Dinge, die über unseren momentanen Verstand und unsere jetzigen Wahrnehmungsfähigkeiten hinausgehen. Ich empfinde es als dogmatisch, diese Dinge ausschließen/ausblenden zu sollen, und die Wikipedia-Formulierungen zum evolutionären Humanismus zwar in die richtige Richtung gehend, gerade im Hinblick auf die Abgrenzung zu den unmöglichen Absolutheitsansprüche und Dogmen religiöser Lehren und alter Aberglauben, aber eigentlich sollte eine spirituell neutrale Grundhaltung noch darüber hinausgehen und nicht an der Grenze unseres Verstandes halt machen.


Dennoch schätze ich die Arbeit des Vereins sehr und, wer weiß, wenn es irgendwann wieder passt, bin ich gerne wieder dabei.


Viele Grüße“


Aus dieser Erklärung ergeben sich für mich besonders zwei Fragen:

1. Müssen wir wirklich davon ausgehen, dass es doch Elfen, Trolle und eine göttliche Existenz geben könnte?

2. Kann man mit einem solchen Standpunkt nicht mehr Mitglied des KdFSMD e.V. sein?


Bei der ersten ist euch vielleicht schon aufgefallen, dass ich den Teilsatz „Dinge, die über unseren momentanen Verstand und unsere jetzigen Wahrnehmungsfähigkeiten hinausgehen.“ nicht mit übernommen habe. Einfach deshalb, weil das doch ziemlich unstrittig ist und nicht erörtert werden muss. Unsere Wahrnehmung ist voller Fehler und Lücken und unser Wissen ebenso.


Allerdings sehe ich deshalb keinen Grund, ständig davon ausgehen zu müssen, in diesen Lücken könnte sich all das verstecken, was Religiöse nutzen, um die zu schließen. Vielmehr liegt genau darin für mich die Erwartung, mit fortschreitender Erkenntnis und verbesserter Wahrnehmung, z.B. durch technische Geräte, wird das auf naturalistischem Weg geschehen.


Viele gehen davon aus, dass man Götter und ähnliches nicht widerlegen könnte. Das halte ich für falsch. Es kommt einfach darauf an, wie genau diese definiert sind. Die einfache Behauptung: „Es gibt Götter“ lässt sich nicht widerlegen. Ohne Definition ist das völlig beliebig.

Anders bei Elfen, Trollen und dem Gott der Abrahamiten.
Letzterer soll allmächtig sein. Allmacht gibt es aber nicht, also auch nicht diesen Gott. Das zeigt schon die alte Frage: Kann Gott einen Stein erschaffen, den er selbst nicht heben kann.

Dieser Gott ist auch allwissend. Das heißt nicht nur, er wüsste schon jetzt bis ans Ende aller Zeiten ganz genau und bis in die kleinste Einzelheit, was da so passiert. Das heißt auch, wenn schon alles vorherbestimmt ist, hat dieser Gott selbst keine Entscheidungsfreiheit mehr. Er ist in seinen Handlungen an diese feststehende Zukunft gebunden und alles andere als allmächtig.

Deshalb bin ich sicher, wir müssen nicht davon ausgehen, dass Elfen, Trolle und eine göttliche Existenz in dem Sinne, wie sie allgemein verstanden wird, wirklich existieren. Dieser Schluss ergibt sich, wenn wir Ockhams Rasiermesser ansetzen.

Bei der zweiten Frage geht es um Agnostik. Die gibt es in vielen Ausprägungen. Epikur hat die Götter in eine Zwischenwelt gesteckt, in der sie sich nur mit sich selbst beschäftigen und deren Tun nicht den mindesten Einfluss auf die Menschen hat. Könnte man mit dieser Sicht nicht auch sagen, auf Erden geht alles natürlich zu? Ich denke schon.

Es kommt darauf an, ob jemand an Götter glaubt oder für möglich hält, die aktiv in das Geschehen auf Erden eingreifen. Das schließt ein, auch als Agnostiker kann man, je nach Ausprägung, durchaus mit unseren Ansichten und Regeln leben.

Aber es gibt auch Agnostiker, die zwar sagen, wir wissen nicht, ob Götter existieren, aber wir glauben trotzdem an sie. Damit ist in der Regel der abrahamitische Gott gemeint. Für die dürfte es schwer sein, sich mit uns anzufreunden. Sie hätten nicht die Möglichkeit, zu unserem Satzungsziel zu stehen und kommen somit auch nicht als Mitglied in Frage.

Eine Sonderform bilden die Agnostiker, die die Annahme der Nichtexistenz von Göttern für genau so falsch halten, wie den Glauben an sie. Sie halten es für unnötig, in dieser Frage überhaupt Position zu beziehen.

Zweifellos eine edle Ansicht, aber keine praxistaugliche. Vielleicht können auch wir uns die, zumindest in Mitteleuropa, irgendwann einmal leisten. Solange jedoch religiöse Organisationen und der Glaube selbst noch solchen Einfluss auf die Gesellschaften ausüben, halte ich das, was wir tun und wie wir denken, für absolut notwendig.

Doch es ist schön zu hoffen, einmal dorthin zu kommen, wo wir uns selbst überflüssig gemacht haben.

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